Reviews

Man muss das, was sich da empfindsam und bedachtsam in die Luft schwingt, auch nicht als sparsam kleiner machen als es ist. Die Töne sagen mehr als genug über die Schönheit und die Kraft am Saum der Stille, aber auch über die Beklemmung im Anhauch der Schatten und der Dunkelheit, die einen sich besinnen lässt auf den Rückhalt im Inneren. Domeniconis Klingklang kann läuten, dass einem ein Kloss in den Hals steigt, aber er kann durch Präparation auch ganz elfisch und zwielichtig zaubern oder dröhnend donnern. Wenn Eichenberger dazu seinen Zungenschlag anraut und von träumerisch sehnsuchtsvollen Langwellen oder aufbegehrenden Stössen sich ins Tiefdunkle senkt, ist das Unheimliche, aber auch Lockende, das sich der Dauerbeleuchtung entzieht, mit Händen zu greifen.
Rigobert Dittmann (Bad Alchemy 97)

Magnifique !
Dans la masse des enregistrements publiés au nom de l’improvisation libre – radicale – free, ces Improvisations se distinguent par une belle singularité : une beauté intrinsèque, une maîtrise essentielle du son, une mise en commun magique, une virtuosité qui s’exprime dans la grande qualité des sons, etc… qui tranche dans la grisaille postfree téléphonée. Un Must !
Jean-Michel Van Schouwburg ( orynx-improvandsounds.blogspot.be)

„Improvisations“ beginnt sanft wie ein ausklingendes Schlaflied, das einem Kind Ruhe und Geborgenheit für die Nacht gibt − und verweilt über zwei Drittel der fünfzehn Nummern ganz in diesem Duktus. Jeder Ton ist mit Bedacht gesetzt, nichts wirkt gehetzt oder aufgesetzt. Es gibt keinerlei Eile, nichts rennt davon, nichts gibt es zu verpassen: Ruhe pur, eine grosse, prall gefüllte Leere − und die Spannung, die sich daraus ergibt. Die beiden Instrumente spielen nicht um die Wette, müssen keine bösen Träume verscheuchen, Einklang herrscht zwischen ihnen. Eine Meditation ganz ohne sphärischen Firlefanz, sie braucht keine Akrobatik von Nuancen, keine repetitiven Muster und schon gar nicht synthetische Verklärung. Der Atem langgezogener Töne der Bassklarinette, fast durchwegs ganz aus der Tiefe, wenige Klavierklänge, manchmal nur einzelne Tasten, da und dort mal etwas rhythmisch betonter, die Instrumente zumeist im Gleichschritt und praktisch ohne Dissonanzen. Dann wird der Level etwas angehoben, es wird dramatischer, lauter, der Einklang schwappt für ein paar kurze Sequenzen in ein leichtes Gegeneinander, um gleich darauf wieder zu verebben und die frühere Temperatur aufzunehmen. Ein Album, das zwar in der Improvisation entstanden ist, dessen Titel hier und bei dieser Musik dennoch fast etwas irreführend wirkt. Bemerkenswert.
Steff Rohrbach (Jazz’N’More 03/2018)

Entschleunigung der reduktionistischen Spielart. Der auf tieflagige Klarinetten, in vorliegendem Fall ausschliesslich die Bassklarinette auslotend, spezialisierte Markus Eichenberger pflegt mit Pianist Roberto Domeniconi einen Dialog der Introspektion, was aber nicht mit innerer Emigration gleichzusetzen ist. Denn die Musik ist trotz aller Zurückhaltung ungeheuer offensiv. Heisst, jedem einzelnen Ton wird seiner wichtigsten Charakteristik als elementarste Einheit des musikalischen Materials der Raum und die Zeit eingeräumt, sein Schwingungspotential bis zum Aufgehen in der Stille nachvollziehbar verströmen zu lassen. Was die Klangqualitäten, die Phrasierung und Artikulation betrifft, formulieren die beiden Schweizer Musiker mit dem Geschichtsbewusstsein betreffend Serialismus und der Aleatorik. Doch die Interaktion, das Suchen und Finden wurzelt im Jazzboden mit dem entscheidenden „Neurotransmitter“ Improvisation. Mit behutsamen Gesten erwachsen die inhaltsvariablen Anekdoten. Eine abstrakt, raue Ebene gilt diesen genauso als Bezugspunkt wie das Schwelgen in berührend schöner Verschränkung. Eichenberger geleitet sein Instrument mit Multiphonics, Flageolettklängen und Luftsäulenmanipulationen meisterhaft in klanglich indeterminierte Randzonen, während Domeniconi mit viel Übersicht zwischen Piano-Naturklang und bedachter Präparation pendelt. Sein Spiel belegt einen deutlichen Hang zu Perkussivität. Eine austarierte Erlebniswelt reich an Verlockungen und überraschenden, transparenten Verstrickungen.
hasch (concerto.at 2018)